Integration in Deutschland

Sehr geehrter Herr Kebschull,

ich habe sehr viel Respekt vor Ihrem Mut und Ihrem Einsatz. Vielen Dank dafür. Gleichzeitig möchte ich Ihnen auch meine Unterstützung anbieten.

Vor 3 Jahren bin ich nach Europa zurückgekommen, weil der Rest der Welt schon damals über die Entwicklungen gesprochen hat, die jetzt hier in Deutschland stattfinden. Ich bin hier, um die Ausbildung, die seit 30 Jahren Diplomaten, Entwicklungshelfern und Blauhelmen angeboten wird, den Menschen anzubieten, deren Heimat sich rapide verändert. Die Hälfte der Welt ist privat, beruflich oder flüchtig unterwegs und wird von der anderen Hälfte bei sich aufgenommen. Die wenigsten Menschen sind auf diese gegenseitige Begegnung vorbereitet.

Ich kann die Angst der Flüchtlinge gut verstehen, denn ich habe von 1991-1993 den Bürgerkrieg in Madagaskar miterlebt, und ich kann die Angst der Menschen in Deutschland verstehen, denn ich weiss wie bedrohlich sich das Gefühl des Kulturschocks anfühlen kann. Beide Seiten haben die Ausbildung der Diplomaten, Entwicklungshelfer und Blauhelme nicht bekommen und stehen sozialpsychologisch hilflos da. Wir retten die syrischen, afghanischen und afrikanischen Flüchtlinge und ich bin überzeugt davon, dass das richtig ist. Falsch ist aber die deutsche Bevölkerung nicht auf diese Entwicklungen vorbereitet zu haben. Sie sind Auswirkungen der Globalisierung für die Deutschland einer der Hauptmotoren ist.

Was Ihnen passiert ist, ist leider vermutlich erst der Anfang der Probleme.

1989 bin ich von der Schweizer Regierung als TCI/TCK ausgebildet worden, d.h. ich habe in einem mehrwöchigen Ausbildungslager gelernt aus den Bestandteilen verschiedener Kulturen ein persönliches Mosaik zu gestalten. 1996 habe ich dann eine Version dieser Ausbildung für Menschen entwickelt, die sich zuhause auf die Veränderung der Gesellschaft vorbereiten wollen. In eintägigen Workshops habe ich Polizisten, Lehrer, Beamte, Studenten, Arbeitnehmer aus der Wirtschaft und viele andere dazu ausgebildet, sich ein persönliches Mosaik aus verschiedenen Kulturen zu entwickeln. Es ist wie Fahrradfahren: wenn man mal weiss wie, kann man selbstständig immer weiter trainieren.

Es gibt in Oersdorf sicher noch mehr Menschen, die Sie unterstützen. Es ist wichtig, dass Sie und Ihre Unterstützer sowohl sich selbst stärken, als auch den Zauderern etwas zu bieten haben. Darum möchte ich Sie einladen mit mindestens 12 und höchstens 19 Freunden, Nachbarn oder Kollegen für einen Tag nach Bremen zu kommen und das kennenzulernen, was die Wissenschaft als den Prototype des Menschen in der Globalisierung bezeichnet. Ich verspreche Ihnen viel Spass und am Ende des Tages die Zuversicht, das es einen Weg nach vorne gibt.

Die Menschen haben Angst und es gibt ein Mittel gegen diese Angst. Weltweit sind schon über 250 Millionen Menschen ausgebildet worden, nur leider nicht in Deutschland. Hier gibt es bisher nur Kurse in Interkulturalität aber das ist immer nur der erste Schritt. Bitte sehen Sie sich die folgende Grafik an. Damit versuche ich ein Phänomen zu erklären, dass man erleben muss, um es wirklich zu verstehen:

Der erste Schritt führt zu einem Scherbenhaufen, der den Menschen sehr viel Spass macht so lange es ihnen gut geht aber erst der zweite Schritt führt zu einer Selbstsicherheit, die es dem Menschen erlaubt sich allen Menschen zugehörig zu fühlen, unabhängig von ihrer Nationalität, Kultur, Religion oder Rasse. In Deutschland gibt es bisher nur den ersten Schritt, weil für den zweiten der politische Wille gefehlt hat.

Ich könnte Ihnen jetzt Dutzende von wissenschaftlichen Artikeln zukommen lassen aber ich denke es ist für Sie und mich sehr viel effizienter, wenn wir uns zusammensetzen würden und direkt besprechen würden welche Möglichkeiten für Oersdorf bestehen.

Bitte kommen Sie nach Bremen, sehen Sie sich unsere ‘Kulturenwerkstatt’ an und erleben Sie was mit dieser Ausbildung angestrebt wird und wie sie abläuft.

Mit herzlichen Grüßen,
Imme Gerke

______________________________________________________________________________________________________________________________

Note to reader: This letter is in response to the article: "Joachim Kebschull äußert sich zur Attacke im Rahmen einer Pressekonferenz" posted on http://www.oewv-oersdorf.de/

with the abstract: "Eine Woche nach dem gewalttätigen Angriff auf ihn, hat sich unser Bürgermeister Joachim Kebschull im Rahmen einer Pressekonferenz erstmals persönlich geäußert"

Write a comment

Comments: 0